Wenn der Skeptikerin das Grinsen nicht aus dem Gesicht gehen will …

Es gibt ja diesen Spruch: setz eine Handvoll Wikipedianer zusammen, gib ihnen WLAN und alle sind glücklich. Das Glücklichsein leuchtete vielen von uns gestern den ganzen Tag über aus den Augen, und das hatte nur teilweise mit dem WLAN zu tun, denn wir hatten was zu feiern: Unser Lokal K, der erste lokale, ehrenamtlich von der Community verwaltete Stützpunkt nördlich der Alpen (SCNR) wurde mit einer kleinen Party eröffnet.

Die älteren unter uns werden sich erinnern: die Idee eines „Community Space“ waberte schon lange in den Köpfen herum, ich gehörte zu der vorsichtigen, skeptischen Fraktion, die noch auf unserem Workshop im Herbst 2013 zögerte: mein Bauch sagte „will ich haben“, mein Kopf jedoch: „sei vorsichtig, sonst schrubbst Du in Deiner begrenzten ehrenamtlichen Zeit demnächst das Community-Klo“.

Nachlesen läßt sich die Genese einerseits in meinem alten Blogbeitrag, andererseits seit der Schlüsselübergabe im April auf der entsprechenden Wikipedia-Seite.

Seit April hatten wir herumgewerkelt, wiki-style, und ich kann es nicht oft genug sagen: wir, Ihr – alle die Ihr mitgearbeitet und geholfen habt – wart sooo großartig. Bis in die Nacht herein, jede/r fand das passende Todo, und es ist toll geworden. Ja, mein derzeit größtes Artikelprojekt ist liegengeblieben und die freie Energie der letzten Wochen ist in den Raum gegangen, insofern ist ein Teil der Befürchtungen wahr geworden: Löcher bohren und Boden fegen statt Wikipedia-Artikel schreiben. Auch im Kopf nimmt das Lokal viel Raum ein. Einer unserer Mitstreiter hatte zu guter Letzt noch einen bösen Unfall* und wollte – gut informierten Kreisen zufolge – kurz nach der OP schon wieder seine Anwesenheit bei der Eröffnung sicherstellen. Das muß sich wieder auf ein normales Maß einpendeln, und ich glaube fest daran, daß es das tun wird.

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Mixed Fingerfood, 70er style

Gestern dann aber endlich die vielen Menschen im Lokal. Alte und neue Communityleute, Essen wurde selbstgemacht und mitgebracht, wie in den guten alten Zeiten, ein paar Getränke vom Veedelshändler um die Ecke von Wikimedia spendiert, ein paar Blumen brachte der Lokalpolitiker, der sein Büro ums Eck hat und uns zwischen zwei Hochzeiten und einen Jubiläumsfall reingequetschte. Persisches Gebäck mit knapp 100.000 Kalorien von den üblichen Verdächtigen, und Pyrotechnik auf dem Käseigel! DroidBoy, der Stadtschreiber der Kölner Nerdszene, widmete uns seinen Podcast Nr. 73, Romaine, der aus der Niederlande angereist war, baute einen Wikidata-Eintrag für das Lokal, und dann tief in der Nacht: Karl der Große himself steht stumm und würdevoll in der nächtlichen Gesprächsrunde, und wir alberten um die Wette rechts und links von ihm, ob Aachen oder Köln die cooleren Reliquien hat (bei den Windeln Jesu gab ich mich geschlagen).

Aber richtig begeistert hat die Nachbarschaft: „Divers“ war das meistgenutzte Wort des Tages. Von der alteingesessenen Hutfabrik über den italienischen Supermarkt, Studentenbuden und Genossenschaftswohnungen, von der Heilsarmee bis hin zur klassischen Hinterhofmoschee ist hier alles vertreten. Wir hatten Zettel an die Fenster geklebt und eingeladen, mal reinzuschnuppern. Es kamen einige, und einzelne blieben bis tief in die Nacht. Die These, daß man Gesicht zeigen muß, um neue Köpfe anzuziehen, bestätigte sich wieder einmal. Und Köpfe waren dabei: Ob es um den Artikel über Alevitentum ging, um Psychologische Morphologie oder um den Umfang der chinesischsprachigen Wikipedia und was man als Chinesin in Köln daran ändern könnte – alles Themen, die von den Menschen aus der Nachbarschaft ins Lokal gebracht wurden. Einer, der fast zeitgleich mit uns in die Straße gezogen war, berichtet von der Reaktion unter Bekannten: „oh, du wohnst jetzt in der Marienstraße, da ist doch Wikipedia …“ – so schnell geht das. Am längsten blieb Aroldo, und es fühlte sich an, als gehörte er schon immer zu uns – Ihr wißt schon, diese Art von Gesprächen, in denen innerhalb einer Minute das intellektuelle Pendel zwischen Foucault und Star Trek hin- und herschwingt, ohne daß es peinlich wird, und bei denen Ideen für Veranstaltungen geboren werden, von denen wir noch hören werden.

Wir standen vor der Tür und erzählten von alten Zeiten. Ich seufzte vor mich hin, daß wir alt werden und uns an der Vergangenheit hochziehen. „Aber hallo, Ihr startet hier doch jetzt etwas ganz Neues“. So sei es.

 

* der nichts mit dem Lokal K zu tun hatte.

Ein Kommentar

  1. 2011 die Idee, 2013 konkret in Angriff genommen, 2014 eröffnet: Ein tolles Projekt habt ihr als Team verwirklicht.

    Wikipedia lässt mich immer wieder hadern – euer Beispiel zeigt das Miteinander, das Mut macht.

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