Unsere Archivstory 2008–2025

Ende Juni 2025 wurde die langjährige Direktorin des Historischen Archiv der Stadt Köln (HAStK) nach 20 Jahren Tätigkeit für das Archiv, die durch den Einsturz des Archivs am 3. März 2009 maßgeblich geprägt wurde, in den Ruhestand verabschiedet.

Elya und ich waren vor einigen Tagen zu ihrer privaten Abschiedsfeier eingeladen. Neben der Würdigung ihres Wirkens durch Kulturdezernent Stefan Charles und ihrem bisherigen Stellvertreter Dr. Ulrich Fischer zog sie Revue ihres Berufslebens. Ihr Motto:

Du hast keine Chance, nutze sie bestmöglich

Ich nehme das Ende dieser „Ära“ zum Anlass, selber auf meine/unsere Zeit mit dem HAStK zurückzublicken.

Der erste Kontakt fand 2008 im Rahmen eines Tages der offenen Tür im Archiv statt. Wir waren im Archivgebäude in der Severinstraße, wo Ulrich Fischer verschiedene Archivalien ausgelegt hatte und diese erläuterte. Wir machten Fotos, was uns den Hinweis “nur für privaten Gebrauch, bitte” einbrachte.

Als Wikipedianer und überzeugter Freund freier Lizenzen begann ich einen E-Mail-Austausch mit Ulrich Fischer. Ausgerechnet am 3. März 2009 versuchte ich, ihn in der Mittagszeit anzurufen. Er war nicht da. Minuten später informierte mich Elya, dass das Archiv eingestürzt sei.

13 Uhr 58.

Kurzerhand schnappte ich meinen Fotorucksack und setzte mich aufs Fahrrad. Das Gelände war natürlich schon weiträumig abgesperrt. Damals war ich noch nicht bei der Stadt Köln als Fotograf für Wikipedia/Wikimedia Commons akkreditiert und hatte somit keine Chance, näher an die Einsturzstelle ranzukommen.

Blick auf die Einsturzstelle mit den Trümmen des nach vorne gefallenen Archivbauwerks. Dahinter sind die Räume des teilweise eingestürzten Wohnhauses zu erkennen.

Südlich der Einsturzstelle traf ich auf einen dpa-Fotografen, der bei Bewohnern eines mehrstöckigen Hauses klingelte und darum bat, von einem Fenster aus Fotos machen zu dürfen. Er nahm mich freundlicherweise mit.

Überlagert waren meine Gedanken vor allem um die Sorge, wie viele Menschen unter den Trümmern lagen. Später wurde bekannt, dass zwei junge Männer, Bewohner eines direkt benachbarten Gebäudes, das ebenfalls einstürzte, getötet wurden. Monate später nahm sich noch eine ältere Anwohnerin das Leben.

Ulrich Fischer war zu dem Zeitpunkt nicht in Köln, und die Archivdirektorin Bettina Schmidt-Czaia kannte ich zu der Zeit noch nicht. Ihre Erlebnisse schilderte sie vor einigen Tagen in einem Zeitungsinterview.

In den Folgetagen und -wochen fuhr ich immer wieder zur Einsturzstelle, um von außen, soweit es möglich war, Dokumentationsfotos zu machen (auch einige Fotos, die deutlich später entstanden sind)

Was uns dann auch auffiel: Auf Wikimedia Commons gab es kein einziges Foto des Archivgebäudes. Es erschien wohl allen, inkl. uns, als zu gewöhnlich.

Auf Flickr fand Elya ein Foto der Fassade, das der Fotograf auf Nachfrage sofort unter eine kompatible CC-Lizenz stellte:

Fassade aus tschechischem Granit mit senkrechten Lüftungsschlitzen am alten Stadtarchiv. Eine sehr schlichte und unauffällige Fassade, sehr symmetrisch fotografiert.
Foto: ekimas – CC BY-SA 2.0

… und später kamen wir in Kontakt mit dem bekannten Kölner Fotografen Eusebius Wirdeier, der freundlicherweise ebenfalls ein Foto unter freier Lizenz stellte:

schwarzweiß-Foto auf die Severinstraße, Beschreibung im nachfolgenden Text
Foto: Eusebius Wirdeier, DGPh, Köln, www.eusebius-wirdeier.deCC BY-SA 3.0

Hier sieht man auch die Situation im Jahr 2005: Links das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium mit der Bronzeskulptur des Ikarus, daneben die am 9. März 2009 abgerissene Alte Waidmarktwache, rechts das Archivgebäude. Unterhalb der Straße entsteht die Nord-Süd-Stadtbahn.

Das fehlende Bild war für mich dann auch ein Anlass, viel mehr Architektur zu fotografieren. Und eben nicht nur Baudenkmäler, sondern auch moderne Gebäude.

Klaus Graf hat als Ersthelfer im Erstversorgungszentrum die Arbeit des Teams des Hochschularchivs der RWTH Aachen im Erstversorgungszentrum des Stadtarchivs Köln April 2009 dokumentiert:

Menschen in weißen Ganzkörper-Overalls und Masken an einem Tisch in einer großen Halle mit Formularblöcken und Kartons. Sie sichten den Inhalt des Kartons
Foto: Klaus Graf – CC BY-SA 3.0

Erst 2011 habe ich mich bei der Stadt Köln als Fotograf für Wikipedia/Wikimedia Commons um eine Aufnahme in den Presseverteiler gebeten. Der Bitte wurde stattgegeben und seitdem erhielt und erhalte ich die Einladungen zu den Presseterminen, u.a. auch zu Terminen des HAStK, das mittlerweile in einem Gebäude in Köln-Porz untergebracht war. Dort entstand das “Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum (RDZ)”, in dem ich künftig öfter zu Besuch war. 

Dort wurden dann viele Jahre die geborgenen Archivalien restauriert.

Mein erster Termin dort:

Gruppenfoto vor einer Gefriertrockungsanlage, zwei Frauen ein Mann in formeller Kleidung, die Dame in der Mitte hält ein historisches Dokument in der Hand, die mit türkisen Gummihandschuhen geschützt sind
14. September 2011: Pressetermin zur Inbetriebnahme der Gefriertrocknungsanlage im Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum des Historischen Archiv der Stadt Köln. Isabel Pfeiffer-Poensgen (Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder), Dr. Bettina Schmidt-Czaia (Leiterin des Historischen Archivs) und Georg Quander (Kulturdezernent der Stadt Köln) stellen die Anlage vor. Dr. Bettina Schmidt-Czaia hält eine gefriergetrocknete Akte der Dienststelle „863-Trümmeramt“ in den Händen)

Elya und ich haben seitdem das Archiv in unser Herz geschlossen. Viele Fotos sind entstanden (in alphabetischer Reihenfolge)::

2016 wurde dann (endlich) mit dem Neubau am Eifelwall begonnen. Das Gebäude wurde als Archivgemeinschaft zusammen mit dem Rheinischen Bildarchiv konzipiert. Eine Dreier-WG zusammen mit der Kunst- und Museumsbibliothek wurde von der Politik leider aus Kostengründen verhindert.

Blick auf eine sehr große Baugrube, unten ein vergleichsweise kleiner Bagger in Aktion. Hinten eine Reihe von Straßenhäusern
Baugrube, 5. August 2016
Vier Frauen mit Helmen und Sicherheitswesten auf der Baustelle, Hammer in der Hand, bei einer Grundsteinlegung
Grundsteinlegung, 17. März 2017 – Foto: Elya – CC BY-SA 4.0
Gruppenfoto mit traditionell gekleidetem Handwerker, darüber ein Richtkranz, dahinter Rohbau mit Gerüst
Richtfest 2. März 2018
Ein großer Screen mit weißer Schrift auf rotem Grund und Stadt Köln Logo. Festakt zur Eröffnung des Archivneubaus am … davor eine unscharfe Person mit Mundschutz
Am 3. September 2021 fand – noch unter Corona-Schutzbedingungen – der Festakt zur Eröffnung des Gebäudes statt. Für Kölner Verhältnisse erfreulich: Unter weitestgehender Einhaltung des Zeit- und Budgetrahmens. Foto: Elya – CC BY-SA 4.0

Unterstützt wurden wir vom HAStK auch bei den Drohnenaufnahmen der Baustelle:

Luftaufnahme einer großen städtischen Baustelle am Eifelwall
Neubau Historisches Archiv der Stadt Köln – Luftaufnahmen November 2017
Drohnenaufnahme auf das neue Archivghebäude, man siehzt den innenliegenden Schutzbau, umgeben von den äußeren Verwaltungsgebäuden
Neubau Historisches Archiv und Rheinisches Bildarchiv der Stadt Köln – Luftaufnahmen August 2018

Alle Besuche in alphabetischer Reihenfolge:

Seit 2021 arbeitet das nun organisatorisch vereinte “Historische Archiv mit Rheinischem Bildarchiv” gewissermaßen im Normalbetrieb, allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Restaurierung der geborgenen Archivmaterialien noch weitere 40-50 Jahre in Anspruch nehmen wird. Finanziert werden kann das vermutlich mit der Vergleichssumme von ca. 600 Millionen Euro, die von den Baufirmen als Verursacher des Einsturzes gezahlt wurden.

Allerdings darf nicht vergessen werden, dass der städtische Haushalt wie so oft recht klamm ist. Ausgaben, die nicht verpflichtend zum Betrieb des Archivs notwendig sind, oder Restaurierungen, die nicht unmittelbar einsturzbedingt sind, können meist nicht aus dem städtischen Haushalt bezahlt werden.

Bereits 2006 wurde daher der gemeinnützige Förderverein “Freunde des Historischen Archiv der Stadt Köln e.V.” gegründet. Durch Mitgliedsbeiträge und Spenden können daher außerplanmäßige Ausgaben, vor allem für Vermittlung, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit, finanziert werden.

Der Jahresbeitrag liegt bei (überschaubaren) 35 Euro, Familien (ab zwei Personen) zahlen 50 Euro, Schüler*innen und Student*innen 20 Euro, Institutionen 100 Euro.

https://www.freunde-des-historischen-archivs.de/

Offenlegung: Elya und ich sind Mitglied und zum Teil im Vorstand des Vereins engagiert.

Unser Dank für die jederzeit herzliche Aufnahme im Archiv geht an die nun ehemalige Direktorin Bettina Schmidt-Czaia, Ulrich Fischer, Claudia Tiggemann-Klein, Max Plassmann, Andreas Berger und alle anderen.

PS: und natürlich kam auch die Zeit, als wir die 2008 gemachten Fotos dann doch auf Commons hochladen durften – es waren wohl einige der wenigen zeitgenössischen Fotos, die es von den zerstörten Räumen dann noch gab. 

Blick in einen alten Magazinraum mit Regalen, in denen Planrollen liegen
Foto: Elya, CC-BY-SA 3.0

Alle Fotos ohne explizite Namensnennung: Raimond Spekking – CC BY-SA 4.0

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